Team Bittel
 

Verona Halbmarathon - Unglaubliche Dinge können da passieren vor einem Lauf.  

Autor:  BabsiDrebinger   E-Mail: 
Letzte Änderung: 03.11.2004 02:23:39

Wenn ich nicht selbst dabei gewesen wäre, ich hätte es mir selbst nicht geglaubt. Ein Krimi vor dem Start. Der Lauf dann aber ein Traum. Trotz Regenwetter.
Verona – 31.10.2004 – Mezza Maratona

Bald ging ich ins Bett, um ausgeruht zu sein für den Halbmarathon am morgigen Tag. Viel trainiert habe ich nicht in letzter Zeit, es sollte ein Lauf „just for fun“ werden und ohne Zeitlimit. Plötzlich schoss mir durch den Kopf, ob nicht der Reisebus wieder vor meinem Auto parkt, so wie gestern vielleicht ?! – ein Satz aus dem Bett, rein in die Klamotten und nachgesehen: Tatsächlich. Der Bus steht vor dem Hotel und auch direkt vor meinem Auto. Suche nach dem Fahrer, der isst.....trotzdem - ein „gmietlicher Typ“ - fährt er gerne weg. Er verspricht es, aber ich bleibe stehen, beobachte genau, ob ich morgen da auch aus der Parklücke komme. Ok. Das war irgendwie Eingebung. Der Wirtin erzählte ich davon und sie sagte, „ja so ein Glück.“ Puh. Jetzt aber schlafen.

Der Wecker klingelt um 5.15 Uhr. Ganz schön früh. Ein Blick nach draußen – ganz schön deprimierend – Dauerregen und dunkel. Rasch bin ich fertig, in meinen Laufsachen, eine warme Jacke und Hose drüber, Schnellfrühstück mit schwarzem Tee aus der Thermoskanne und ein Apfel. Auf geht’s. Ich freu mich richtig und vor allem darüber, wie hellwach ich auf einmal um 6.00 Uhr bin. Ich verstaue meine Sachen im Auto, fahre aus der Lücke und will aus dem Hotelgrundstück. Was ist da ???? Zig-mal gesehen, aber niemals daran gedacht! Eine vollautomatische elektronische Schranke. Oh nein! Ich stell das Auto ab, an einem Hang, Handbremse rein, raus, leicht aufgeregt, fuchtle an diversen Schaltern an dem Schiebetor herum. Nix! Vollautomatisch. Tut mir leid, Herr Wirt, jetzt muß ich Sie wecken. „PRIVAT“. Ich klopfe ganz sachte und warte. Noch mal. Ein, zwei Minuten..... Die Tür geht einen Spalt auf, hindurch blinzelt der Hotelier im Unterhemd, ohne was sagend??? „Sorry, die Schranke ist zu“ ... “Ja fahren Sie die Straße runter und in die untere Garage“... Ups, der denkt wohl ich komme von der Disconacht erst jetzt heim....“Nein, ich möchte raus!!!“ „Ah ,sooo... - gleich“. Die Alarmlampe blinkt und ich geh durch die Schranke, sie bleibt jedoch nach knapp einem halben Meter stehen. Stillstand. Ich gehe zurück. Höre aber Geräusche. Gut ich gebe ihm noch ein bisschen Zeit. Setze mich ins Auto. Schranke geht bis zur Hälfte auf. Mein Auto wieder an. Schranke geht auf einmal wieder zu. Hilfe! In so kurzer Zeit kann man so einen Adrenalinspiegel haben. Will gerade wieder aussteigen, da geht sie auf und zwar ganz. Endlich.

Ich brause davon und esse Kekse unterwegs. Und trinke viel, Wasser. Die einzige Beleuchtung scheint die der Straßenlaternen zu sein. Auf der Autobahn ist es zwar frei, aber ein paar Baustellen erschweren die Fahrt. Und bisher wusste ich nicht genau, wie sich der Begriff anfühlt – jetzt kann ich auch mitreden : Aquaplaning. Da muß man wirklich langsamer fahren! Arrividerci Alto Adige – Benvenuto Verona! Ich halte mich in Verona an „Stazione FS“ – Da gibt es wirklich Parkplätze in Hülle und Fülle. Die Tücke ist nur: hinein muss man kommen. Also einmal um den ganzen Bahnhof und von hinten einfahren. Es schüttet inzwischen in Strömen. Ich packe in meinen Rucksack Geld und Sprachführer sowie sämtliche Anmeldeunterlagen. In der Hand ein Riesen-Schirm. An der Bushaltestelle sprechen mich zwei farbige Mädels im Sportdress an und fragen irgendwas auf englisch, ob ich wohl Richtung Innenstadt gehe. Ja. Die eine nimmt sofort den Griff von meinem Schirm und gesellt sich zu mir und ob ich da mitlaufe? Wow, dachte ich mir, das ist bestimmt eine von den Kenianerinnen. Von wegen! Nach ca. 500 m verabschiedet sie sich und geht zur nächsten Haltestelle. Sie suchte nur einen passablen trockenen Transfer.

Eine große breite Straße tut sich auf. Am Ende dieser jede Menge Läufer und der Start/Zielbereich erkennbar. Wüsste ich nicht, dass ich in Verona wäre, hätte ich im ersten Moment, als ich es in Augenschein nahm, gesagt, „wann reißen sie dieses baufällige Bauwerk ab?“ Das war also DIE ARENA. Römisches Amphitheater aus dem 1. Jahrhundert. Beeindruckend, dass in drei Schächten darin die Abholung der Startunterlagen vorgesehen war. Notdürftige Schilder wiesen darauf hin. Am Rande sei bemerkt, dass es sonst keinerlei Schilder gab, die auf Start oder dergleichen hingewiesen hätten. Brav reihte ich mich ein bei „mezza maratona“. Abrufbereit in meinem Sprachspeicher, gut gelernt: „numero settanta nove“ und „firma autocertificata“. Es waren ungefähr 15 Leute vor mir. An der Reihe wurde ich enttäuscht mit italienischen Worten, dass diese Startnummer für Marathon wäre und ich mich bitte nach links an Francesca wenden soll. Gut. Weiter links, in besagter Reihe standen ungefähr 100 Leute. Es waren gut 10 m zur Anmeldung. Grandios – wie das Organisationsteam plante! Beim Tor „6 km Stadtlauf“ und „Halbmarathon“ waren jetzt jeweils 4 Personen von der Anmeldung da, um nur mehr vereinzelten Läufern die Unterlagen auszuhändigen. Vor mir jedoch waren 8 Personen vom Organisationskomitee in einem Büro und ein einziger fragte jeweils die Athleten nach Nummer und Name. Und einer vom Büro reichte dann die Unterlagen nach draußen. Geniale Personaleinteilung! Es war inzwischen 20 Minuten vor Startbeginn und Zeit, mich mit dem Gedanken anzufreunden nicht mehr zum Auto zurückzukönnen (ca. 1.000m), und somit mit Schirm oder zumindest Rucksack laufen zu müssen. Auch mal was Neues.

Endlich an der Reihe – eine englisch-italienische Unterhaltung mit meinem späteren Nachbarn– sage ich gleich, mezza maratona! Ins Büro vorgelassen nimmt mich eine äußerst beschäftigte Francesca in Empfang. Ich verstehe nicht viel. Sie fragt, wie viel einbezahlt worden wäre. So viel ich weiß, hat mein Vereinsmanager €18,00 bezahlt. Aha. Das war wohl die Gebühr für den Marathon. „solo mezza!“ rufe ich entsetzt, ich will nicht so lange laufen! Vor meinen Augen speichert sie das jetzt im PC um. Es ist 5 Minuten vor neun, na ja, fast wohl eher 5 vor zwölf. In der Schlange erfahre ich von den Mitwartenden, dass der Start verschoben wird. Auch der nette Mann, der die Startnummer einzeln von innen nach draußen überreicht, bestätigt dies, kann jedoch keine Uhrzeit nennen. Ich solle die Ansage hören. Schnell den Namen, Startnummer und Unterschrift unters Autocertificate (dass ich auch gesund bin und jegliche Verantwortung selbst übernehme). Drei Personen frage ich auf englisch nach dem vermeintlichen neuen Startermin. 9.30 Uhr, schön. Kann ich noch zum Auto. Mit Schirm und Unterlagen laufe ich im Galopptempo zum Bahnhof zurück. Die Straßen sind voll mit Wasser. In meinen Schuhen quaatscht es. Die Überhose durchnässt. Nachdem die Nummer befestigt ist entdecke ich in den Unterlagen einen Chip. Außen auf dem Beutel steht „Nr. 79“, ja genau, meine Nummer. Aber, es wurde doch bei der Anmeldung deklariert, dass ich meinen eigenen Champion Chip habe. Was nun? Werde wohl fragen müssen. Mache mich auf den Weg zurück, im Schnelltempo. Befreiend, so zu laufen, ohne Gepäck. Im Regen. Nach der Hälfte der Strecke kommen Carabinieri, Motorräder entgegen. Normalerweise Indiz für das Anführen des Starterfelds. Tatsächlich läuft mir eine gewaltige Läuferschar entgegen. 9.15 Uhr. Und ich noch sehr weit von „Partenza“ entfernt, dem Start. Es ist ein irritierendes Gefühl das zu sehen. Ehrlich. Jetzt habe ich Angst, dass ich nicht mehr mitmachen kann. Laufe im Sprinttempo. Außer Atem. Weiche Knie. Zuschauer am Rand erschweren immer mehr den Durchweg. Meter kommen mir sehr lange vor. Den Start vor Augen überlege ich nicht lange und kletterte ca. 30 Meter vor den Startmatten einfach über die Absperrung. Es haben wohl einige geschaut. Aber das bekam ich gar nicht so mit. Entsetzen bei den Verantwortlichen am Start. Avanti. Presto. So viel Zeit muss noch sein, dass ich den einen auf englisch frage, was ich mit dem Chip soll, “ I have my own chip!”. Egal, ich solle halt beide nehmen. Was bedeut: Schnürsenkel auf, zweiten Chip anbringen und neu binden.

Jetzt geht’s endlich los. Uff! Keiner der Athleten zu sehen. Nur Zuschauer. Keiner vor mir, keiner hinter mir. Was für ein Gefühl. Irgendwie schön, aber ungewohnt. Eine Erfahrung wert, sagen wir mal so. Hätte ich auf diesen Lauf trainiert, wäre es sehr ärgerlich geworden. Das Schöne daran, ich kann nun das Feld von „hinten aufrollen“. Und bin mir sicher, mich nicht falsch, bei den zu Schnellen eingereiht zu haben. Und dank Chipmessung müsste ja die genaue Real-Time nachvollziehbar sein. Wozu also immer diese Eile am Start, frage ich mich. Und es ist ein ganz neues Gefühl von Dämpfung in den Schuhen mit komplettdurchtränkter Innensohle. Nach 20 Minuten habe ich Anschluss gefunden an das Feld. Erstaunlicherweise kommen jetzt einige auch an mir vorbei – wohl auch zu spät gestartet. Ein herrliches Gefühl.

Auf großen Straßen, vorbei an alten Villen, wunderschön, durch schmale Gassen, die Pasticcerien mit all ihren Köstlichkeiten sehend, der Duft von Café und Croissants in der Nase, lächelnde verschmitzte Gesichter und italienische Anfeuerungsrufe. Es ist ein verwinkelter Kurs und hinter jeder Kurve komme ich aus dem Staunen über die zahllosen Kirchen, Denkmäler, Brücken, Gässchen nicht mehr heraus. Die große Brücke überquerend sehe ich auf einmal, wie traumhaft Verona hier in hüglige sanfte Landschaft eingebettet ist. Ein Genuss für die Sinne. Das Laufen fällt dabei nicht mehr schwer, wird fast zur Nebensache. Dieses Leichtigkeitsgefühl wird verstärkt durch mein ständiges Überholen der anderen. Da gibt es wirklich Läufer, die mit Schirm unterwegs sind! Oder eingemummt wie auf der Antarktisexpedition unterwegs. OK, es regnet wirklich stark. Im Prinzip aber bei 14 Grad kein ganz schlechtes Laufwetter. Mir ist immer noch ein Rätsel, dass ich bei 100% Luftfeuchtigkeit ein Durstgefühl habe. So nehme ich gern die angebotenen Erfrischungen an der ersten Verpflegungsstation nach km 5 in Anspruch. Es gibt dort Kekse, Bananenstücke, Zitronenstücke und Mineralwasser, Elektrolytgetränke in ½l- Flaschen. Ich nehme eine, mache ein paar Schlucke und werfe sie weg. Wie die meisten der Laufbegeisterten. An der 2. Verpflegung das gleiche.....mich hätte es nicht gewundert, wenn sie 1,5l-Flaschen angeboten hätten. Wer trinkt denn mehr als ein paar Schluck. Bei km 10 finde ich einen Mitläufer gleichen Tempos. Fabrizio. Tante grazie für die nächsten 8 km. Wirklich ein „good ritmo“ J. An der 3. und 4. Station kommt meine Greenpeace-Gesinnung durch und ich weigere mich diese Umweltverschmutzung zu unterstützen. Überall liegen fast volle Plastikflaschen! Und so gehe ich zur Zitrone über. Keine schlechte Erfindung beim Lauf. Stillt den Durst und macht den Magen nicht voll. Vielleicht esse ich sie auch so gern, weil es mich an einen heißen, wunderschönen Tag in Venezia erinnert, wo ich zum ersten Mal eine Zitrone mit Schale verspeist hatte. Es nieselt nur mehr. Die letzten 3 km sind nicht mehr so leicht, gehen etwas bergauf durch so eine Art Industrie- und neues Wohngebiet. Dafür habe ich jetzt einen tollen Ausblick der Stadt entgegen. Bei km 19 sehe die Route Castelvecchio vor mir. Herrlich. Man läuft da mitten durch das Castel. Mit dem Haken, dass es über eine Art Brücke steil hoch geht. Bei km 20 bekomme ich einen richtig schönen Aufschwung und alles scheint wie von selbst zu laufen. Zieleinlauf. Viele Zuschauer. Eine angenehme, wenn auch nicht überwältigende Stimmung. Geschafft! - Medaille um den Hals. Die funkelt schön! Plastikhülle drum herum. Im Fernsehen sah ich das oft, dass die Marthonläufer nach dem Zieleinlauf so einen an Müllsack erinnernden Umhang um bekommen. Jetzt spüre ich, dass das gut tut. Behält etwas Wärme am Körper. Getränkestation. Hier ist eine so nette Frau – Art Mama Miracoli – und sie schenkt mir mindestens 10 Becher nach. Hier gibt es witzigerweise keine Flaschen, sondern nur kleine, von den Frauen persönlich eingeschenkte Becher mit 0,2 l. Ich mache mich auf den Weg ins kommode Massagezelt. Ist etwas versteckt. Und sehr angenehm Massage. Erst wollte ich mich über den Masseur wegen Quetschung meiner linken Wade beschweren. Dann spüre ich, der macht alles richtig. 20 Minuten lang. Ein Service, den es nicht überall gibt. Duschen suche ich verzweifelt. Am Straßenrand sehe ich vereinzelt Athleten, die sich umziehen. Das ist mir doch ein bisschen zu „öffentlich“ und ich wähle stattdessen die öffentliche Toilette im Bahnhof. Trocken gerubbelt und neu angezogen und um einer Erkältung vorzubeugen, dick eingepackt und mit Mütze! – Bei nun 18 Grad und Fast-Sonnenschein. Ich mache mich auf den Weg, die Arena zu besichtigen und die Marathonstimmung einzufangen. Die ersten Kenianer des Marathons kamen schätzungsweise nach 2.18 h leichtfüßig ins Ziel. Meine selbst gestoppte Zeit betrug 1:46 h.

Ein ganz besonderer Lauf für mich...

Ciao, aus Italien wieder zurück,

Babsi



 
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